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Duo Passiones Acaunensium martyrum

9a Walahfrid Strabo, carmen 21 (Poetae Latini aevi Carolini 2, ed. E. Dümmler, in: Monumenta Germaniae Historica, Poetae Latini Medii aevi 2, Berlin 1884, S. 367–369)

Lateinischer Text:

XXI

YMNUS DE AGAUNENSIBUS MARTYRIBUS

 

  1. Felix Gallia, fortibus trophaeis,

ubertate soli, virum nitore,

regni nomine purpurata magno

Romanae soror urbis atque consors.

 

  1. Haec, inquam, melius dicata Christi

signis, illita martyrum cruore,

excellentius has togas frequentat,

quas non impius inquietat hostis.

 

  1. Thesauros Rhodani quidem fluento

vallatos colit Alpibus sub ipsis,

sed non sola tenet decus sacratum,

quod toto liquet eminere mundo.

 

  1. Magni Mauritium loquor rigoris,

cum quo Candidus Exsuperiusque,

armorum comitis fidem secuti,

iuverunt ducis optimi calorem.

 

  1. Thebaeae legio beata gentis,

his concredita lege militari,

veri militiam secuta regis

vexillo crucis impetivit hostem.

 

  1. Nullas sontibus intulere caedes,

quin ipsi gladiis deo immolati,

quam terris Orientis imbiberunt

castris occiduis fidem recludunt.

 

  1. Auget crimina saevus imperator,

quem nec carmine nominare dignum,

dum sanctos iubet idolis litare

nolentesque necem subire mandat.

 

  1. Dux primus sotios simul coactos

hortatur stabilem tenere mentem:

"Nullus deficiat timore, nemo

perturbetur", ait, "deum sequamur.

 

  1. Armis iam satis hactenus caducis

hostes stravimus aemulante dextra,

nunc virtute animi domandus hostis

maior, maior enim corona restat.

 

  1. Nec dilata diu fatigat ergo

merces stemmatis, ecce laurearum

pugnantes hodie trophaea vosmet,

si vincatis, apud deum manebunt".

 

  1. Perstant intrepidi, loquuntur ore

uno: "Praecipe, Caesar, expeditos

pro tutamine publicisque rebus

depugnare viros, oboediemus.

 

  1. At si forte deo cupis relicto

nos servire tuis, profane, divis,

te contemnimus et severitatis

temptamenta tuae minasque viles.

 

  1. Iam nunc rumpe moras, abi satelles,

haec conamina nuntia tyranno,

exurat, perimat licet necetque

limpha fluminis, aut secet lapillis".

 

  1. Stant inflexibiles, manentque fixi,

non dant liba diis genuve ponunt,

rex et conditor est quibus per aevum

Christus, vivere commorique lucrum.

 

  1. Haec postquam ferus impiusque lictor

crudeli domino relata perfert,

commotum scelus ardet in cruentis

statim pectoribus magisque fotum.

 

  1. "Hanc", inquit, "gravibus notam querelis

mecum vix tulerim, quod ordo nostri

tales officii remandat ausus,

exemplum dabo iam per hos futuris.

 

  1. Miles perge, neca viros protervos,

et primo decimum recide quemque:

sic saltim mea iussa pertimescent".

His actis calor invenitur idem.

 

  1. Instaurat reus integratque caedem,

in totumque movet gregem machaeram,

certat se pia praevenire turba,

serum quisque sibi putat, quod instat.

 

  1. Caeduntur gladiis, replentur ipsae

valles corporibus, fluuntque rivi

sacri sanguinis, ipse per cruorem

sanctorum Rhodanus sacratus exit.

 

  1. Hinc iam nobilior, suoque maior

excursu, mare cum decore magnum

maiori petit, omne Galliarum

regnum de nece martyrum coronans.

 

  1. O quam nobilis unda, quae beatas

solvens exequias, lavare plagas

et secum meruit sacrata ferre

et se corpora possidere circa.

 

  1. Quae pridem leve nomen indicabant

felicis loca iam placent Agauni,

angustos aditus refulget inter

quod miratur amans quadratus orbis.

 

  1. Postquam carnifices scelus peractum

clauserunt, epulis dedere sese,

inter funera pro dolore luctus

ausi laetitiam sequi iocosam.

 

  1. Ad convivia mente saniori

pervenit stupidis senex medullis

Victor: "cur geris", inquiens, "maligna

miles gaudia, stragis in cruore?"

 

  1. "Iussit providus imperator", aiunt,

"omnem militiam deos colendo

complacare sibi, quod haec rebellis

nolens turba luit furore poenas".

 

  1. Suspirans senior, "Quid", inquit, "istam

aetatis seriem miser peregi?

quam vellem, optio si daretur, inter

hos finire pios gravem senectam".

 

  1. Dicentem rapiunt, senem trucidant,

fit martyr sotiusque candidati

coetus, et quibus ante concupivit

iungi, protinus additur maniplis.

 

  1. O summis pia laudibus colenda

sanctorum legio, cruore lota,

quam perfectior omnibus figuris,

hoc senarius ordinat decore.

 

  1. Nam sex milia sexiesque centum,

seni tum decies semelque seni,

dicuntur numero fuisse pleno;

nil sanctos melius potest decere.

 

  1. Tanto munere gaudeamus omnes

qui caeli super astra nos patronos

tot confidimus inclitos habere,

quorum oratio quod petit meretur.

 

  1. His si servitium fidele cures,

o Chonrade, pater mihi colende,

totis viribus exhibere, iugis

te per grandia facta pax sequetur.

 

  1. Nam quamvis miser atque criminosus

sim, credo tamen hoc labore parvo

sanctorum meritis diu petitam

Strabonem veniam a deo mereri.

 

  1. Sanctae gloria magna trinitati

sit per saecula cuncta, laus, potestas,

virtus una, salus perennis, ipsa

semper nos prece martyrum coronet.

 

Amen.

Übersetzung:

  1. Pollmann: Poetische Paraphrasen der Passio Acaunensium Martyrum des Eucherius von Lyon, in: Wermelinger u. a. (Hrsg.) 2005, S. 227–254, deutsche Übersetzung: S. 246–248

Text:

  1. Glückselig ist Gallien mit seinen Trophäen der Tapferkeit, mit seinem fruchtbaren Boden, mit dem Ruhm seiner Männer, und, geschmückt mit dem Purpurgewand des großen Namens eines Königreiches, ist es Schwester und Mitregentin der römischen Stadt.

 

  1. Dieses Gallien ist jedoch, sage ich, besser geheiligt durch die Abzeichen Christi, da es mit dem Blut von Märtyrern getränkt ist, und es bringt massenhaft in herausragenderer Weise diejenigen Bürger zusammen, die nicht ein sündiger Feind beschwert.

 

  1. Denn Gallien verehrt Schätze, welche vom Fluß Rhone gerade in den Alpen gehütet werden, aber Gallien besitzt diese geheiligte Zierde nicht allein, die völlig offensichtlich auf der ganzen Welt berühmt ist.

 

  1. Ich spreche von Mauritius und seiner großen Standhaftigkeit, mit der Candidus und Exuperius, dem Glauben des Waffengefährten nachfolgend, die brennende Determiniertheit des herausragenden Führers unterstützten.

 

  1. Die selige Legion vom Stamm der Thebäer, eingeschworen auf ihre Anführer nach dem Militärgesetz, folgte dem Kriegsdienst des wahren Königs und attackierte den Feind unter dem Banner des Kreuzes.

 

  1. Sie richteten unter den Schuldigen kein Blutbad an, sondern opferten sich selbst Gott durch das Schwert: So offenbaren sie den Glauben, den sie im Gebiet des Orient aufsogen, in dem im Westen gelegenen Militärlager ihrer Niederlage.

 

  1. Der grausame Kaiser, den man in diesem Gedicht nicht ohne Verlust der Würde beim Namen nennen kann, vergrößert das Verbrechen, indem er den heiligen Soldaten befiehlt, Götzen anzubeten, und anordnet, diejenigen, die sich weigerten, zu töten.

 

  1. Der Anführer Mauritius versammelt sogleich seine Gefährten um sich und ermahnt sie als erster, einen standhaften Sinn zu bewahren: "Keiner soll aus Furcht weichen, niemand soll irre werden;", sagt er, "wir wollen Gott folgen.

 

  1. Wir haben bis zum jetzigen Zeitpunkt schon in ausreichender Weise mit vergänglichen Waffen Feinde durch unsere kampfwillige Rechte niedergestreckt. Jetzt muß ein größerer Feind mit der Tapferkeit des Geistes überwunden werden; es geht nämlich um eine bedeutendere Siegeskrone.

 

  1. Und der Lohn des Siegeskranzes läßt nun nicht lange auf sich warten und welkt nicht: Seht, die Trophäen des Siegeslorbeers werden eben euch Kämpfende, wenn ihr siegen solltet, bei Gott erwarten."

 

  1. Sie bleiben unverzagt standhaft und sagen aus einem Mund: "Caesar, befiehl uns, kampfbereite Männer als Verteidigungsmaßnahme und im öffentlichen Interesse im Gefecht zu überwinden, und wir werden gehorchen.

 

  1. Jedoch, wenn du etwa begehrst, daß wir unseren Gott im Stich lassen und Deinen Göttern, Du Unheiliger, dienen, dann verachten wir Dich und die Androhungen Deiner Strenge und die nichtigen Drohungen.

 

  1. Nun zögere nicht länger und geh, Vasall, und melde dieses Angebot dem Tyrannen, auch wenn er uns verbrennt, hinschlachtet oder im Flußwasser ertränkt oder steinigt".

 

  1. Sie stehen da, ohne sich zu rühren, und bleiben unbewegt. Sie geben den Göttern keine Opfer und knien nicht vor ihnen nieder, sie, die Christus als König und Schöpfer in Ewigkeit haben und für die es ein Gewinn ist, für ihn zu leben und zu sterben.

 

  1. Nachdem der grausame und sündige Liktor diese Nachricht dem Kaiser überbracht hat, entbrennt sogleich in dessen grausamem Herzen ein verbrecherischer Gedanke, für den der Kaiser sich mehr und mehr erwärmt.

 

  1. Er sagt: "Diese Nachricht könnte ich kaum ohne ernste Schwierigkeiten auf mir sitzen lassen, daß eine Soldatenkompanie im kaiserlichen Dienst mir solche Unverschämtheiten als Antwort gibt; also will ich jetzt durch diese ein Exempel für die Zukunft statuieren.

 

  1. Auf, Soldat, töte die vorlauten Männer und strecke zuerst jeden Zehnten nieder: So werden sie doch wenigstens meine Befehle fürchten lernen". Aber nach dieser Dezimierung ist immer noch dieselbe leidenschaftliche Determiniertheit im Heer vorhanden.

 

  1. Der Verbrecher beginnt von neuem und wiederholt die Strafe, und er schwingt das Schwert gegen die ganze Menge. Die fromme Schar streitet darum, wer zuerst dran kommt, und jeder glaubt, daß das, was ihm bevorsteht, zu spät kommt.

 

  1. Sie werden mit Schwertern getötet, und just die Täler füllen sich mit ihren Körpern, und Ströme von heiligem Blut werden vergossen, und die Rhone selbst fließt durch das Blut der Heiligen geweiht weiter.

 

  1. Dadurch wird die Rhone rasch noch ansehnlicher und bedeutender an ihrer Mündung, da sie mit größerer Zierde das große Meer erreicht und das ganze Königreich aller Teile Galliens mit dem Tode der Märtyrer krönt.

 

  1. O was für eine berühmte Woge, die die seligen Überreste auflöste und es verdient hat, die Wunden zu waschen und die geheiligten Körper mit sich zu tragen und in ihrer Umgebung zu besitzen.

 

  1. Der Ort des seligen Agaunus, der zuvor einen unbedeutenden Namen sein eigen nannte, gewinnt nun schon an Beachtung, und zwischen den engen Zugängen leuchtet das auf, was der Weltkreis mit allen vier Erdteilen in Liebe bestaunt.

 

  1. Nachdem die Henker das Verbrechen ausgeführt und zu Ende gebracht hatten, gaben sie sich dem Schmause hin und wagten es, zwischen den Leichen anstelle des Trauerschmerzes ausgelassener Fröhlichkeit zu frönen.

 

  1. Zu dem Gelage kam ein Greis namens Viktor, mit nüchternerem Sinn und im Innern erstaunt. Er sagt: "Warum, Soldat, feierst Du bösartige Freudenfeste mitten im Blut des Schlachtfeldes?"

 

  1. Die Soldaten antworten: "Der weise Kaiser hat befohlen, daß ihm das gesamte Heer durch die Anbetung der Götter willfahren soll; weil diese rebellische Schar das nicht wollte, hat sie dafür aus kaiserlichem Zorn eine Strafe bezahlt".

 

  1. Da seufzt der Greis und sagt: "Wozu habe ich Elender diese so lange Zeitspanne durchlebt? Wie sehr wünschte ich – falls dieser Wunsch gewährt werden sollte –, unter diesen Frommen mein beschwerliches Alter zu beenden".

 

  1. Kaum sagt der Greis dies, da ergreifen ihn die Soldaten und metzeln ihn nieder. So wird er ein Märtyrer und Gefährte der strahlend weißen Schar; er wird sogleich den Manipeln eingeschrieben, mit denen er zuvor vereint sein wollte.

 

  1. O fromme Legion der Heiligen, die mit dem höchsten Preis verehrt werden muß, die mit Blut reingewaschen ist und die die Sechszahl, die vollkommener ist als alle anderen Zahlen, mit ihrer Zierde anordnet.

 

  1. Denn 6000 und 600, dann sechsmal je zehn und einmal je sechs, heißt es, sei ihre Gesamtzahl gewesen; nichts kann den Heiligen mehr zustehen.

 

  1. Über ein solch gewaltiges Geschenk mögen wir alle uns freuen, die wir vertrauen, daß wir über den Sternen des Himmels so viele berühmte Patrone haben, deren Fürbitte verdient, was sie erbittet.

 

  1. Wenn Du, o Konrad, mir verehrenswürdiger Vater, Sorge tragen solltest, daß Du diesen Patronen treuen Dienst mit all Deinen Kräften leistest, dann wird Dir durch erhabene Taten ständiger Friede zuteil werden.

 

  1. Denn wenngleich ich elend und voller Unzulänglichkeiten bin, so glaube ich dennoch, daß ich, Strabo, mit dieser kleinen Arbeit die durch die Verdienste der Heiligen lange erflehte Gnade von Gott verdienen werde.

 

  1. Großer Ruhm sei der heiligen Trinität zuteil in alle Ewigkeit, Preis und Macht. Die einzige Kraft und das ewige Heil mögen uns immer gerade durch die Fürbitte der Märtyrer krönen. Amen.